Toolkit FAQ

 

1. Was ist eine Narrative-Change-Kampagne?

Eine Narrative-Change-Kampagne

  • setzt auf Emotionen, 
  • benutzt Pathos, 
  • erzählt Geschichten aus Erfahrung und zielt darauf, ein warmes, zugewandtes Gefühl zu erzeugen, das das Publikum leicht fesselt, 
  • fühlt sich fast wie „Common Sense“, also gesunder Menschenverstand, an und 
  • spricht letztlich das Herz an1 .

Nachdem diese Vertrautheit und Wärme aufgebaut wurden, fügen wir ein Element hinzu, das unser Publikum herausfordert, neu zu denken. Das bedeutet, ein Element der Dissonanz zu ergänzen – dies ist der Anknüpfungspunkt, den ein solcher Ansatz schafft. Mit diesem emotional intelligenten Ansatz, bei dem sich die Mitte einbezogen fühlt, kann man einen Dialog beginnen und eine vollständige und offene Diskussion über die Themen führen. Im Gegensatz zu anderen Ansätzen, die häufig von Progressiven genutzt werden, setzen diese Kampagnen nicht auf eine analytische/kognitive Herangehensweise, die sich auf Fakten, die Entzauberung von Mythen und vor allem gesetzliche Grundlagen und Rechte konzentriert, welche nur den Kopf ansprechen.
 

2. Bedeutet ein Reframing-Ansatz nicht lediglich eine unmoralische Manipulation der öffentlichen Debatte?

Eine Frage, die regelmäßig in der Diskussion auftaucht, betrifft die Ethik des Reframing-Ansatzes: Machen wir nicht genau das Gleiche wie skrupellose Politiker*innen, die Propaganda betreiben? Und sollten wir nicht gerade deswegen bei den Fakten bleiben? Es gibt gute Argumente, Notwendigkeiten und Erfahrungen aus der Praxis, die einer derartigen Position widersprechen und Euch auch vor Anschuldigungen dieser Art schützen.

Zunächst einmal ist es so, dass Politik und politische Debatten niemals ausschließlich um Fakten kreisen; die Werte der Beteiligten (aller Seiten!) bedeuten, dass sie (und Ihr!) verschiedene Elemente und Ergebnisse priorisieren und beachten. Tatsächlich zeigt die Forschung, dass Menschen, bei denen der Teil des Hirns geschädigt ist, der Gefühle verarbeitet, nicht in der Lage sind, eine Entscheidung zu treffen, wenn sie zwei gegensätzliche Sachverhalte präsentiert bekommen. Mit anderen Worten: Werte, Gefühle und Frames sind ein zentraler Bestandteil jedes politischen Entscheidungsprozesses2
 
Zweitens sind die Aktivist*innen, mit denen wir gewöhnlich zusammenarbeiten, wie alle zivilgesellschaftlichen Organisationen, die unabhängig sein wollen, darauf bedacht, sich auf Werte und Ergebnisse zu konzentrieren, anstatt sich parteiisch auszurichten3 . Es geht ihnen also beispielsweise um Liberalismus, nicht um die Liberalen. Hartnäckig bei dieser Linie zu bleiben kann dabei helfen, sich gegen Propaganda-Vorwürfe zu verteidigen. Zudem wird häufig gesagt, dass es ein Schlüssel dieses Ansatzes ist, vollkommen transparent darüber zu sein, was man tut, wen man anspricht und warum4
 
Drittens haben diejenigen, die eine Anti-Migration-Haltung vertreten, in der letzten Zeit ziemlich erfolgreich die emotionalen Knöpfe gedrückt. Deswegen gibt es ein echtes Bedürfnis, das Klima zu ändern und eine progressive Position zurück in die öffentliche Debatte zu bekommen5 .
 

3. Welche Narrative kann ich nutzen, um die öffentliche Migrationsdebatte schnell zu verändern?

Manchmal denken Menschen, der Reframing-Ansatz bedeute die Anwendung einiger „Zauberwörter“, mit denen die öffentliche Debatte bis nächsten Dienstag gedreht werden könnte. Lakoff hat die tatsächliche Herausforderung hervorragend zusammengefasst:

„Reframing ist nicht einfach oder simpel. Es geht nicht darum, einige Zauberwörter zu finden. Frames sind Ideen, keine Slogans. Reframing bedeutet vielmehr, das anzusprechen, was wir und Gleichgesinnte schon unbewusst glauben, es bewusst zu machen und so oft zu wiederholen, bis es den öffentlichen Diskurs erreicht. Das passiert nicht über Nacht. Das ist ein fortlaufender Prozess. Und der erfordert Wiederholung, Konzentration und Hingabe.“6

Ein Reframing-Ansatz ist also kein Zaubermittel: Es braucht Zeit, Engagement und Einsatz, den öffentlichen Diskurs zu verändern und falsche Vorannahmen durch einen strategischen Kommunikationsansatz richtigzustellen.
 

4. Ist dieser ganze Framing-Kram nicht einfach dunkle Magie, wenig belastbar und unvorhersehbar?

Zweifelsfrei ist es gerade Trend, sich auf Framing zu konzentrieren. Und es mag solche geben, die den Ansatz hochjubeln oder seine Komplexität derart vereinfachen, als wäre er eine kurzfristige Lösung für sozial schwierig zu bewältigende Probleme. Unglücklicherweise ist er das nicht. Kampagnen aus dieser Perspektive anzugehen, ist relativ neu – eine derartige Vorgehensweise hat sich in der neuen Umgebung aus Parteilichkeit und Populismus als fruchtbar gezeigt, wenn man viel Zeit, Energie und Ressourcen investiert.

In der Sache wurde der Framing-Effekt von vielen als etwas anerkannt, das die Lösungsvorschläge verändert, wenn verschiedene Problem-Frames und Problemdefinitionen akzeptiert werden7 . Das wird am Beispiel der aktuellen Debatte um Drogentherapie deutlich: Je nachdem, ob man dieses soziale Problem als kriminelle oder als medizinische bzw. schadensbegrenzende Herausforderung rahmt, werden ganz unterschiedliche Optionen und Lösungen entstehen. Die Bedingungen, unter denen positivere und inklusivere Problem-Framings stärker akzeptiert werden, sowie die Motivationen für derartige Framings sollten als ein Bestandteil der Debatte verstanden werden. Ebenso gehört aber auch dazu, jeden Kampagnenansatz umfassend und gründlich auszuwerten, um seinen Einfluss nachzuweisen.
 

5. Was ist der Unterschied zwischen einem Narrativ oder Diskurs und einem Frame?

Diskursanalyse bezeichnet die Untersuchung von verwendeter Sprache, während sich Narrative mehr auf die Geschichten beziehen, die wir nutzen, um uns gegenseitig etwas zu erklären, wie beispielsweise politische Themen (allerdings können in dieser zweiten Bedeutung Diskurse und Narrative auch synonym verwendet werden, wie Akademiker*innen es oft tun). Frames hingegen sind die etablierten und sozialisierten Narrative/Geschichten, die mit der Zeit Teil der Identität eines Menschen und schließlich „Common Sense“, also gesunder Menschenverstand, werden (mehr Informationen dazu finden sich in unserer Definition von Frames).
 

6. Warum unterscheidet Ihr im Toolkit nicht zwischen Asyl/Geflüchteten und Migration/Integration/Inklusion?

In der Debatte über Menschen in Bewegung legen viele Aktivist*innen großen Wert darauf, begrifflich klar zwischen denen zu unterscheiden, die Asyl suchen, und dem breiteren Migrations-/Integrations-/Inklusionsprozess. In der öffentlichen Diskussion wird diese Unterscheidung allerdings selten respektiert oder verstanden. Eben jene ungenaue Sicht gehört zu den Herausforderungen, vor der wir als Aktivist*innen von Beginn an stehen. Einige behaupten gar, Migration sei ein Prüfstein, der viel breitere Debatten über die Natur und die Art und Weise des „Wir“ in unseren Gesellschaften anstoße8 . Deswegen würden wir gerne klarstellen, dass, wenn wir von der „Migrationsdebatte“ sprechen, wir die unbestimmte Grauzone des öffentlichen Diskurses meinen. Wir glauben allerdings, dass eine wirksamere Einbeziehung der Öffentlichkeit langfristig dazu führt, die Unterscheidung besser zu verstehen und zu nutzen.