Fallbeispiele

Überblick der vorgestellten Fallbeispiele

Im Toolkit stellen wir zehn Fallbeispiele von Kampagnen oder Initiativen vor, welche einen Narrative-Change-/Reframing-Ansatz gewählt haben, um die Mitte zu erreichen und das öffentliche Migrationsnarrativ auf eine progressivere Weise zu verändern. Diese Seite gibt einen kurzen Überblick für jedes der Beispiele.

Eine Vorbemerkung: Wir präsentieren die Fallbeispiele NICHT als Modelle, die eins zu eins übernommen werden sollen, sondern als praktisches Anschauungsmaterial. Vielleicht gefällt Euch deren Schwerpunkt oder Ansatz nicht oder diese passen nicht zu Euch, Eurer Organisation oder Euren Kontext, aber das ist in Ordnung. Denn aus den Entscheidungen, die jede der vorgestellten Organisationen im Laufe des Prozesses getroffen hat, kann viel gelernt werden.
 

FALLBEISPIEL 1: Mohnblumen-Hijab-Kampagne – British Future – Großbritannien – nationale Kampagne


Um die wachsende antimuslimische Stimmung in Frage zu stellen, entwickelte British Future eine Kampagne namens „Poppy Hijab“, mit welcher der 400.000 muslimischen Soldaten gedacht wurde, die während des Ersten Weltkrieges für Großbritannien fielen. Dafür schuf British Future zum hundertsten Jahrestag des Ersten Weltkrieges 2014 einen Hijab mit dem Motiv der Mohnblumen, die vor allem in englischsprachigen Ländern als Symbol des Gedenkens für die in den Weltkriegen gefallenen Soldaten getragen werden. Unter dem Motto „Stolze Britin – Stolze Muslima“ bzw. „Stolzer Brite – Stolzer Muslim“ wurde jener Mohnblumen-Hijab in der traditionell migrationsskeptischen und eher rechts ausgerichteten Tageszeitung „The Daily Telegraph“ vorgestellt.

 

FALLBEISPIEL 2: Shrewsbury Gebetszentrum – HOPE not hate – Großbritannien – Kampagne auf städtischer Ebene


Mit der Kampagne sollte 2013 der Genehmigungsantrag einer kleinen Gruppe von Musliminnen und Muslimen für die Einrichtung eines islamischen Gebetszentrums in der britischen Stadt Shrewsbury unterstützt werden. Die entsprechende Gruppe von Bangladescher*innen lebte schon seit vielen Jahren in der Stadt. Zunächst sah es so aus, als ob ihr Antrag durch den konservativ geführten Bezirksrat abgelehnt werden würde. HOPE not hate appellierte an die Ratsmitglieder, indem sie Frames zu Religionsausübungsfreiheit und Anstand nutzten. Für die Kommunikation dieser Frames konnte HOPE not hate lokale christliche Religionsführer gewinnen – mit Erfolg: Am Ende wurde dem Genehmigungsantrag stattgegeben.

 

FALLBEISPIEL 3: Narrative Change Lab – ICPA – Deutschland – bundesweite Initiative zur Kampagnenunterstützung


Dieses Toolkit ist Teil eines Projekts, in dem wir nicht nur Ressourcen zur Verfügung stellen, sondern auch die schrittweise Entwicklung von Kampagnen unterstützten und zwar im Rahmen des Narrative-Change-Kampagnenplanungsprozesses. Aus diesem Prozess haben wir zahlreiche Erkenntnisse gewonnen, auf die wir zurückgreifen können. Mehr Einzelheiten zum Projekt finden sich auf der Projektseite.

 

FALLBEISPIEL 4: Gerüchte-Küche – COMMUNITYartCENTERmannheim – Deutschland – Community-Engagement-Kampagne auf städtischer Ebene


Eine Künstlerin und ein Künstler bauten im Frühjahr 2016 in drei Bezirken Mannheims eine Installation aus einer Küche und einem Esszimmer. Passant*innen wurden eingeladen, sich zu setzen und Gerüchte über Migration zu teilen, die sie gehört hatten. Die Künstler*innen „transformierten“ das jeweilige Gerücht in ein Gericht, visualisierten das Gerücht also und servierten es dann. Diese Erfahrung war die Basis für einen Dialog, in dessen Verlauf auch Narrative ausgelotet wurden, mit denen den Gerüchten entgegengewirkt werden könnte.

 

FALLBEISPIEL 5: Deutschland kann das – Bundesregierung – Deutschland – bundesweite Kampagne


Mit dieser bundesweiten Kampagne soll die Integration von Geflüchteten in Deutschland unterstützt werden. Teil der Kampagne ist, dass Menschen den Integrationsprozess für Geflüchtete verstehen und lokale Initiativen finden, um sich zu engagieren. Ebenso werden echte Geschichten fortlaufender Integrationsprozesse gezeigt. Der Aufruf baut auf der Willkommenskultur und der großen Zahl von Freiwilligen auf, die sich 2015/2016 eingebracht haben. Ein Fokus liegt darauf, die Erfahrungen der Geflüchteten und derjenigen, die ihnen helfen, zu humanisieren und migrationsskeptische Narrative zu reframen.

 

FALLBEISPIEL 6: #WeAreAllEngland – British Future – Großbritannien – nationale Kampagne


Diese Kampagne wurde zur Fußball-Europameisterschaft 2016 ins Leben gerufen. British Future bat Menschen aller Hintergründe, Fotos mit dem Hashtag #WeAreAllEngland zu posten, in denen sie das englische Team unterstützen. Ziel dabei war es, „Menschen aller Hintergründe in England zusammenzubringen und unsere gemeinsame Identität zu feiern“. British Future produzierte auch ein Video mit Kindern einer Medresse, einer Islamschule, die Fußball spielen und England unterstützen. Der Aufruf basiert auf einer Art niedrigschwelligem Patriotismus und der Illustration von Gemeinschaftszugehörigkeit/-integration.

 

FALLBEISPIEL 7: Reframing Refugees – Welcoming America – USA – Toolkit zur Entwicklung von Botschaften für Aktivist*innen


Dieser Leitfaden für Aktivist*innen für das Welcoming America Netzwerk zielt darauf, Botschaften zu Geflüchteten für die Mitte in den USA zu entwickeln. Die Botschaften, die vorgebracht werden, lauten: Umzüge sind sowohl für Migrant*innen als auch für US-Bürger*innen normal, also lasst sie arbeiten, etwas zu ihren Gemeinschaften beitragen und Bürger*innen werden. Die Werteappelle sind folglich: Sie machen, was wir machen (umziehen), Arbeitsmoral, Beitrag für das Land und Integration, die funktioniert.

 


Toolkit zur Entwicklung von Botschaften für Aktivist*innen Dieser Leitfaden für Aktivist*innen für das Welcoming America Netzwerk zielt darauf, Botschaften zu muslimischen Migrant*innen für die Mitte in den USA zu entwickeln. Die Botschaften, die vorgebracht werden, lauten: Religionsfreiheit ist ein GrundprinzipMenschen aller Glaubensrichtungen müssen sich zusammenschließen und zusammenstehen, um mit offenem Herzen und Mitgefühl Neuankömmlinge willkommen zu heißen. Die Werteappelle sind also: Religionsfreiheit, Menschlichkeit und Mitgefühl.

 

FALLBEISPIEL 9: Schreibt die Geschichte über Zuwanderung zu Ende – Frameworks Institute – USA – Studie über Frames und Botschaftsentwicklung zu Zuwanderung in den USA


Es handelt sich um eine sehr detaillierte Studie, welche eine „Frame“-Karte der US-Debatte 2012/2013 zur Reform der Zuwanderung bietet. Das Frameworks Institute testete auch intensiv Botschaften mit der Mitte und empfahl die folgenden Botschaftsansätze: Zuwander*innen sollten mit Mitgefühl behandelt werden, aber wir brauchen echte Lösungen, die eine Perspektive auf Staatsbürgerschaft ermöglichen, von der wir alle profitieren. Es gibt also einen klaren Fokus auf die Werte Menschlichkeit, Pragmatismus und gemeinsamer Wohlstand.

 

FALLBEISPIEL 10: Ein fairer Migrationsdeal für Großbritannien – Institute of Public Policy Research – Großbritannien – Studie, die Migrationsbotschaften testete


Mit dieser Umfrageforschung wurde ein Fairness-Frame in der britischen Öffentlichkeit getestet, der lautete: „Wenn Migrant*innen hart arbeiten, in das System einzahlen und britische Werte hochhalten, sollten wir sie in Großbritannien willkommen heißen.“ Dieser Frame wurde dann mit einer Botschaft verglichen, in der die langfristigen wirtschaftlichen Vorteile von Zuwanderung im Vordergrund standen. Das Ergebnis: Die Fairness-Botschaft kam wesentlich besser an als die zu den langfristigen ökonomischen Vorteilen. Der Wertefokus liegt also auf Fairness, harter Arbeit, Einbringung und Integration.